28. November 2016 | Patrick Schreiner
s 450 zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen aus Kanada und Europa haben die Gesetzgeber aufgefordert, gegen das EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA zu stimmen. Wir dokumentieren nachstehend den offenen Brief.
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Zivilgesellschaft aus Europa und Kanada fordert: CETA muss abgelehnt werden!
Wir, die hier unterzeichnenden zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Kanada und Europa, sind alarmiert über das Comprehensive Economic and Trade Agreement CETA zwischen der EU und Kanada. Während der langwierigen Verhandlungen und der rechtlichen Überprüfung des Abkommens haben wir mehrfach auf die zahlreichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die CETA aufwirft. Unsere Kritik war stets verbunden mit konkreten Vorschlägen, wie eine transparentere und demokratischere Handelspolitik zugunsten von Mensch und Umwelt aussehen könnte. Dennoch wurde unsere Kritik an CETA überhört und das Abkommen im Oktober 2016 unterzeichnet. Wir möchten nun hiermit noch einmal bekräftigen: Die Ratifizierung des CETA-Abkommens lehnen wir ganz klar ab.
Eine wachsende Zahl von BürgerInnen beiderseits des Atlantiks teilt unsere Bedenken. Rund 3,5 Millionen Menschen in der gesamten EU haben die Petition gegen CETA und seinen Zwilling, das EU-USA-Handels- und Investitionsabkommen TTIP mitgezeichnet. Mehr als 2.100 Gemeinden, Städte und Kommunen erklärten sich selbst TTIP- und CETA-frei. Zudem kam es in Deutschland und Kanada zu Verfassungsklagen gegen CETA. Auch der Europäische Gerichtshof wird sich voraussichtlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit von CETA befassen, insbesondere wegen der höchst umstrittenen Sonderklagerechte für ausländische Investoren.
Auf beiden Seiten des Atlantiks haben sich LandwirtInnen, Gewerkschaften und Verbraucherschutz-, Umwelt-, Datenschutz- sowie viele weitere Gruppen und Nichtregierungsorganisationen ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen gegen CETA ausgesprochen. Im Oktober 2016 hatten vier belgische Regionalparlamente die belgische Regierung beinahe daran gehindert, CETA auch tatsächlich zu unterzeichnen. Streitpunkt war dabei vor allem das gefährliche „Investitionsgerichtssystem“ oder investment court system.
Obwohl eine Vielzahl der Bedenken weiterhin bestehen, versuchen die kanadische Regierung und die EU-Institutionen nun, CETA möglichst schnell zu ratifizieren. In Kanada wurde der Gesetzesentwurf, mit dem das Abkommen in Kraft gesetzt wird, bereits ins Parlament eingebracht, ohne, dass es eine Beteiligung der Öffentlichkeit zu CETA in seiner endgültigen Form gab. Ebenso scheint das Europäische Parlament die internen Anhörungs- und Beratungsmöglichkeiten und auch die Debatte über den 1.600-seitigen CETA-Text einfach zu übergehen. Letztendlich würden große Teile des Abkommen vorläufig angewandt – noch bevor die Parlamente der einzelnen EU-Mitgliedstaaten über CETA abgestimmt haben. Um die bestehenden Zweifel zu zerstreuen und CETA zustimmungsfähiger zu machen, wurden dem Abkommen eine Vielzahl von zusätzlichen Erklärungen hinzugefügt. Dennoch ändern solche Zusatzerklärungen CETA nicht einmal ansatzweise. ExpertInnen bestätigen, dass das auch für die „gemeinsame Auslegungserklärung“ bzw. das Joint Interpretative Instrument gilt.
Wir möchten hiermit nochmals auf die zentralen Schwierigkeiten von CETA eingehen:
CETA wurde lange Zeit von der Vorgängerregierung Kanadas und der vorherigen Europäischen Kommission im Geheimen verhandelt. Der endgültige CETA-Vertragstext und die angeschlossenen Erklärungen ignorieren nahezu alle sinnvollen und konkreten Vorschläge, die von der Zivilgesellschaft vorgetragen wurden, um die Fehler in CETA zu korrigieren. Die jüngsten Versuche vonseiten der Regierung Walloniens in Belgien, die Verhandlungen wieder zu öffnen, wurden blockiert. Das 1600-seitige Abkommen kann nur noch in seiner Gesamtheit abgelehnt oder angenommen werden.
Wir verlangen, dass das Europäische Parlament, das kanadische Parlament, aber auch nationale und regionale Parlamente die Rechte und Interessen der Menschen gegen die Gefahren, die durch CETA entstehen, verteidigen und im Rahmen des Ratifizierungsprozesses gegen CETA stimmen dass die vielen Regional- und Länderregierungen, die Bedenken zu CETA geäußert haben, auch im Rahmen des Ratifizierungsprozesses ihre Standpunkte deutlich machen dass diese Akteure einen umfassenden demokratischen Beratungsprozess auf Grundlage einer neuen, gerechten und nachhaltigen Handelsagenda anstoßen, der die Zivilgesellschaft miteinbezieht.
CETA in seiner gegenwärtigen Form ist kein fortschrittliches oder progressives Abkommen. Es wäre ein Fehler, dieses Abkommen mitsamt seinen gefährlichen Bestimmungen zu ratifizieren, zumal als Grundlage für weitere Handelsabkommen in der Zukunft. CETA steht für die rückwärtsgewandte alte Freihandelsagenda, die von den großen Konzernen vorangetrieben wird. Was wir brauchen ist ein Umdenken hin zu einer transparenten und inklusiven Handelspolitik, die die Menschen und den Planeten in den Blick nimmt. Die Ratifizierung von CETA wird diesem dringend notwendigen Wandel im Wege stehen.
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Original in Englisch (mit Quellenverweisen und der Liste der unterzeichnenden Organisationen): https://corporateeurope.org/sites/default/files/attachments/transatlantic-statement-against-ceta.pdf
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.
URL: https://www.blickpunkt-wiso.de/post/offener-brief-zivilgesellschaft-aus-europa-und-kanada-fordert-ceta-muss-abgelehnt-werden--1963.html | Gedruckt am: 25.04.2024