Dokumentation

Aufruf: Arbeitsrechte verteidigen - Freihandelsabkommen zwischen USA und EU stoppen!

16. Januar 2014 | Redaktion

US-Freihandelsabkommen (TTIP) gefährdet nicht nur Standards in den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, sondern auch in den Bereichen Arbeit und Soziales. Eine Reihe von Einzelpersonen aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik ruft deshalb dazu auf, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen. Wir dokumentieren den Aufruf im Folgenden und regen an, ihn durch die eigene Unterschrift zu unterstützen.

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Arbeitsrechte verteidigen - Freihandelsabkommen zwischen USA und EU stoppen!

Die geplante Wirtschaftszone des TTIP-Vertrages* gefährdet grundlegende Arbeitsstandards. Ein Aufruf zum Widerstand.

Wenn es um Arbeitnehmerrechte geht, sind die USA ein denkbar schlechter, ja ein gefährlicher Verhandlungspartner. Auf der Basis der Menschenrechte hat die Internationale Arbeitsorganisation ILO** acht Kernnormen beschlossen.

Die USA haben die folgenden Normen NICHT ratifiziert:

1. Die Koalitionsfreiheit, also auch das Recht der Beschäftigten, sich frei zu organisieren, etwa in Gewerkschaften;

2. Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge;

3. Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit allgemein, vor allem wegen des Einsatzes von Häftlingen für private Unternehmen;

4. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau;

5. Mindestalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis;

6. Verbot der Diskriminierung in der Arbeitswelt wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Meinung, nationaler und sozialer Herkunft.

Die USA haben lediglich die folgenden zwei ILO-Normen ratifiziert:

7. Abschaffung der Zwangsarbeit als Disziplinarmaßnahme,

8. Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, wobei nicht Kinderarbeit überhaupt verboten wird, sondern nur die Beschäftigung von Kindern als Soldaten, Prostituierte, im Drogenhandel und in der Pornografie.

Transatlantische Sonderzonen

In den USA haben inzwischen 25 von 50 Bundesstaaten so genannte "Right to work"-Gesetze*** implementiert, die Gewerkschaftsrechte z.T. drastisch einschränken. Deutsche und europäische Unternehmen lagern seit den 1990er Jahren verstärkt Produktionsstätten in eben diese Right-to-Work-Staaten aus, um von Tarif- und Mitbestimmungsfreiheit zu profitieren.****

Die Staaten der EU haben zwar die meisten Normen der ILO ratifiziert, halten sich aber in abnehmendem Maße daran. Bei den „Rettungsmaßnahmen“ der EU für Griechenland, Spanien, Italien und Portugal setzt die EU zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Menschenrechtsnormen außer Kraft, etwa wenn Tarifverträge aufgelöst, Lohnsenkungen verordnet und Streiks erschwert werden.

Nach unserer Einschätzung sind es auf beiden Seiten des Atlantiks genau diese Staaten mit verschärften Arbeitsbedingungen und schwacher Verhandlungsposition der Arbeitnehmerschaft, die für Produktionsverlagerungen interessant sind.

Gute Arbeit statt irgendwelcher Jobs

Die Initiatoren und Fürsprecher des transatlantischen Abkommens versprechen uns vor allem "Jobs". Wir werden bei diesem Wort hellhörig. Gemeint sind zumeist ungesicherte Tätigkeiten - gerne zu Niedriglohnbedingungen, oft in Teilzeit und befristet. Hinter den versprochenen Jobs dürfte lediglich eine weitere Umwandlung von ordentlichen Arbeitsstellen in solche Gelegenheitsarbeit stehen, wie sie in Deutschland seit 2003 durch die Hartz-Gesetze gefördert wird. Was wir dagegen für die Zukunft brauchen, sind faire Löhne für gute Arbeit in gesicherten und demokratischen Verhältnissen.

TTIP nicht mit uns

Elementare Arbeitsrechte und gesicherte Arbeitsverhältnisse stehen in Europa wie den USA seit Jahren unter Druck. Dieser Trend würde sich durch das TTIP weiter verschärfen. In privaten Schiedsgerichten könnten multinationale Konzerne dann z.B. gegen einen gesetzlichen Mindestlohn klagen, weil er ihre Investition behindert.

Deshalb fordern wir den Stopp der Verhandlungen zur transatlantischen Freihandelszone!

Unterzeichnen:

Der Aufruf kann auf der folgenden Webseite unterzeichnet werden: http://arbeitsunrecht.de/ttip/

Anmerkungen:

* Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen)

** ILO, International Labour Organisation, Unterorganisation der UNO

*** "Right to work" bedeutet nicht etwa "Recht auf Arbeit", sondern das Recht des Individuums, unbehelligt von Tarifverträgen, Gewerkschaften oder z.B. Streikaufrufen zur Arbeit zu gehen. Solche Gesetze gelten momentan in folgenden USBundesstaaten: Alabama, Arizona, Arkansas, Florida, Georgia, Idaho, Indiana. Iowa, Kansas, Louisiana, Michigan, Mississippi, Nebraska, New Jersey, Nevada, North Carolina, North Dakota, Oklahoma, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Virginia, Wyoming.

**** Folgende deutsche Unternehmen verlagerten Produktionskapazitäten in Right-to-Work-Staaten: BASF (Vidalia, Louisiana), BMW (Spartanburg, South Carolina), Evonik (Mobile, Alabama), Fresenius Medical Care (Ogden, Utha), Mercedes-Benz (Vance, Alabama + Cleveland, North Carolina), Stihl (Virginia Beach, Virginia), Thyssen-Krupp (Mount Vernon, Alabama), Wacker (Charleston, Tennessee). Einzig von VW (Chattanooga, Tennessee) sind ernsthafte Versuche publik geworden, eine demokratische Mitbestimmung samt Gewerkschaften im Betrieb zu zulassen. Mercedes-Benz und Thyssen-Krupp zerschlugen dagegen gewerkschaftliche Organisierungsversuche mit Hilfe professioneller Union Buster.

ErstunterzeichnerInnen:

  1. Tom Adler (ehem. Betriebsratsmitglied Daimler-Benz, Untertürkheim)
  2. Ass.-Prof. Dario Azzellini (Sozialwissenschaftler, Uni Linz)
  3. Mira Ball (Gewerkschschaftssekretärin, ver.di)
  4. Martin Bechert (Fachanwalt für Arbeitsrecht)
  5. Daniel Behruzi (Journalist + Soziologe)
  6. Stefan Bell (Rechtsanwalt Kanzlei Bell & Windirsch)
  7. Ralf Berger (Geograph, Allerweltshaus Köln)
  8. Wolfgang Bittner (Schriftsteller)
  9. Udo Blum (Gewerkschafter, IG Metall)
  10. Manfred Bobke-von Camen (Rechtsanwalt, Kanzlei Schwegler)
  11. Prof. Christoph Butterwegge (Sozialwissenschaftler, Uni Köln)
  12. Semra Celik (Gewerkschafterin, ver.di)
  13. Peter Conradi (SPD MdB 1972-1998)
  14. Prof. Wolfgang Däubler (Rechtswissenschaftler, em. Prof. Uni Bremen)
  15. Hans Decruppe (Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Decruppe & Kollegen)
  16. Prof. Frank Deppe (Wissenschaftler, Uni Marburg)
  17. Brigitte Evers-Schahmirzadi (Sachbearbeiterin, ver.di-Mitglied)
  18. Prof. Andreas Fisahn (Rechtswissenschaftler, Uni Bielefeld)
  19. Rolf Geffken (Anwalt für Arbeitsrecht)
  20. Prof. Peter Grottian (Hochschullehrer für Politikwissenschaft, FU Berlin)
  21. Prof. Peter Herrmann (EURISPES Rom, wiss. Beirat von attac)
  22. Jürgen Hinzer (Gewerkschafter, NGG)
  23. Prof. Joachim Hirsch (em. Prof. Uni Frankfurt, ver.di-Mitglied)
  24. Matthias Hördt (Betriebsratsmitglied, Institut für Deutsche Sprache)
  25. Kirsten Huckenbeck (Dozentin FH Frankfurt a. M., Redaktion express)
  26. Martin Huhn (Industrie- und Sozialpfarrer i.R., Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt)
  27. Hermino Katzenstein (Personalratsvorsitzender Universität Heidelberg)
  28. Paula Keller (Lehrerin)
  29. Martin Kempe (Publizist, ehem. Chefredakteur ver.di PUBLIK)
  30. Franz Kersjes (ehem. Gewerkschaftssekretär, ver.di NRW, Herausgeber www.weltderarbeit.de)
  31. Alexander Kessler (Rechtsanwalt für Arbeitsrecht)
  32. Anton Kobel (Gewerkschaftssekretär, Redaktion express)
  33. Jens J. Korff (Autor)
  34. Ralf Krämer (Gewerkschaftssekretär, ver.di)
  35. Hans Kroha (Landesfachbereichsleiter, ver.di Rheinland-Pfalz)
  36. Ralf Kronig (Betriebsratsmitglied, SAP)
  37. Wolfgang Lieb (Publizist, www.nachdenkseiten.de)
  38. Tim Lubecki (Gewerkschaftssekretär, NGG)
  39. Prof. Thomas Münch (Sozialwissenschaftler, FH Düsseldorf)
  40. Peter Nowak (Journalist)
  41. Prof. Norman Paech (Verfassungs- und Völkerrechtler, Uni Hamburg)
  42. Jeffrey Raffo (Organizer, ver.di NRW)
  43. Jessica Reisner (aktion./.arbeitsunrecht)
  44. Prof. Jörg Reitzig (Sozialökonom, Hochschule Ludwigshafen am Rhein)
  45. Werner Rügemer (Publizist + Lehrbeauftragter, aktion./.arbeitsunrecht)
  46. Erasmus Schöfer (Schriftsteller)
  47. Renate Schoof (Schriftstellerin)
  48. Patrick Schreiner (Gewerkschaftssekretär)
  49. Joachim Schubert (Betriebsratsmitglied, ALSTOM Power)
  50. Andreas Siekmann (Künstler)
  51. Prof. Helga Spindler (Sozial- und Arbeitsrechtlerin, Uni Duisburg-Essen)
  52. Klaus-Peter Spohn-Logé (Sozialsekretär, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt)
  53. Gudrun Trautwein-Kalms (Sozialwissenschaftlerin, ehem. Redakteurin der WSI-Mitteilungen)
  54. Wolfgang Trittin (Rechtsanwalt für Arbeitsrecht)
  55. Eva Völpel (Journalistin, taz, die tageszeitung)
  56. Prof. Peter Wedde (Hochschullehrer für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft, FH Frankfurt a.M.)
  57. Daniel Weidmann (Fachanwalt für Arbeitsrecht)
  58. Elmar Wigand (Autor + Online-Redakteur, aktion./.arbeitsunrecht)
  59. Winfried Wolf (Chefredakteur, lunapark21)
  60. Mag Wompel (Industriesoziologin + Redakteurin, www.labournet.de)

URL: https://www.blickpunkt-wiso.de/post/aufruf-arbeitsrechte-verteidigen-freihandelsabkommen-zwischen-usa-und-eu-stoppen--1297.html   |   Gedruckt am: 19.04.2024