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miese-jobs.de Nachrichtenüberblick 06/2018

3. April 2018 | Markus Krüsemann

Die nächste Ausgabe dieses Nachrichtenüberblicks erscheint am Dienstag, dem 17.04.2018.

1] TOPTHEMA: MINDESTLOHN

Die Mindestlohnberichterstattung entpuppt sich immer mehr als mediales Murmeltier. Beinahe wöchentlich grüßt die Lohnuntergrenze in Form von Artikeln, die sich in der Regel im Bereich eines mittlerweile kanonisierten Themenfelds bewegen: Erfolg, Kontrolle, Missbrauch. Aktuell ist der Topos Missbrauch wieder in den Schlagzeilen, und wie so häufig ist auch diesmal eine Studie der Auslöser.

Wie eine Datenanalyse aus dem Hause Böckler-Stiftung ergab, wurde im Jahr 2016 rund 2,2 Millionen Beschäftigten durch oft trickreiche Umgehungsstrategien der gesetzliche Mindestlohn vorenthalten. Der Betrug ist für Unternehmen so lukrativ, wie der Schaden immens ist: Lohnausfälle und Mindereinnahmen der Sozialversicherung summierten sich auf rund 7,6 Milliarden Euro. Einige Branchen scheinen besonders anfällig, doch kriminelle Praktiken gibt es praktisch überall. Zu denjenigen, die den Mindestlohn aushebeln, zählt übrigens auch die Bundesregierung. Doch lesen Sie selbst...

Handwerk lehnt geplanten Mindestlohn für Azubis ab

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer lehnt den von der Großen Koalition geplanten Mindestlohn für Auszubildende, die sogenannte Mindestausbildungsvergütung, strikt ab. »Wir wollen auf keinen Fall, dass die Tarifautonomie ausgehebelt wird«, sagte Wollseifer.

»Es handelt sich bei der Ausbildungsvergütung nicht um einen Lohn, sondern um einen Zuschuss zum Lebensunterhalt. Dazu kommen dann auch noch das Kindergeld und andere soziale Förderungen«, sagte Wollseifer.

Quelle: Finanznachrichten.de vom 03.04.2018


251 Euro im Monat weniger

Durch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz entgeht Beschäftigten und Sozialkassen in Norddeutschland jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro, so eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Im Schnitt erhielten die Betroffenen 251 Euro monatlich zu wenig. Und das in Zeiten, in denen es Branchentarifverträge gibt, die Stundenlöhne z.B. im Bauhauptgewerbe bei 11,75 Euro und im Elektrogewerbe bei 11,40 Euro vorsehen. Das ist der eigentliche Skandal.

Quelle: SVZ.de vom 28.03.2018


Für den Anfang 6,50 Euro Stundenlohn

Die Gastronomie gehört zu den Branchen, in denen der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro besonders oft und besonders deutlich unterschritten wird. (...) Besonders häufig müssten sich Kellner, Küchenhilfen, aber auch Köche mit einem illegalen Niedriglohn begnügen, heißt es weiter im Bericht.

Wie die Gewerkschaft ermittelt hat, wird dabei mit diversen Tricks gearbeitet. So müssten die Fahrer eines Pizzalieferdienstes 30 Cent des Trinkgelds von jeder Tour an die Firma abgeben, so dass sie unter die gesetzliche Lohngrenze rutschen. In Hotels werden Servicekräfte nicht selten zu unbezahlten Überstunden genötigt.

Quelle: junge Welt online vom 27.03.2018


DGB beklagt Verstöße gegen den Mindestlohn

Durch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz sind Hamburg im Jahr 2016 mehr als 200 Millionen Euro an Löhnen und Sozialabgaben entgangen. Das ist das Ergebnis von Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Die alarmierenden Zahlen signalisierten dem neuen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wie groß der zusätzliche Kontrollbedarf sei. Der DGB fordert deshalb den personellen Ausbau der Finanzkontrolle.

Quelle: NDR.de vom 26.03.2018


Millionen Arbeitnehmer um Mindestlohn geprellt

Um den Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde zu umgehen, müssen Arbeitgeber nicht gerade erfinderisch sein. Sie können Arbeitnehmer unbezahlte Überstunden schieben lassen oder weisen Teilzeitstellen aus, die in Wirklichkeit Vollzeitstellen sind.

Auf alle betroffenen Beschäftigten hochgerechnet sparten 2016 die Arbeitgeber insgesamt 6,5 Milliarden Euro ein, weil sie sich nicht an die gesetzliche Mindestlohn-Vorgabe hielten.

Quelle: MDR.de vom 24.03.2018


Mindestlohn setzt Landwirten zu

Seitdem auch in der Landwirtschaft der Mindestlohn bezahlt werden muss, versuchen die Bauern, Arbeitskräfte einzusparen, wo es nur geht. Seit Anfang 2015 wurde der Stundenlohn schrittweise an den der anderen Branchen angepasst.

»Das wirkliche Problem ist, dass wir die Kosten nicht weitergeben können.« In den Läden stünden die Produkte neben Gemüse aus Spanien, wo der Mindestlohn bei 4,29 Euro liege. Zehfuß pflanzt nun Möhren und Pastinaken, die er maschinell ernten kann.

Quelle: Mannheimer Morgen online vom 24.03.2018


Mehr als 7 Milliarden Euro Schaden

Durch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz werden Beschäftigten und Sozialkassen Milliardenbeträge vorenthalten. Im Jahr 2016 (...) summierten sich Lohnausfälle und Mindereinnahmen der Sozialversicherung (...) auf rund 7,6 Milliarden Euro.

Weibliche Beschäftigte sind von Umgehungen mehr als doppelt so oft betroffen wie Männer. In Ostdeutschland kommen Verletzungen des Mindestlohns deutlich häufiger vor als im Westen, was auch mit der geringeren Tarifbindung und weniger Betriebsräten in den neuen Ländern zusammenhängen dürfte.

Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 23.03.2018


Mindestlohn-Tricks kosten Deutschland zehn Milliarden

Durch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz entgehen Beschäftigten und Sozialkassen Milliarden, zeigt eine Studie. Laut Berechnungen belaufen sich die Lohnausfälle im Durchschnitt auf 251 Euro brutto im Monat je Beschäftigten, dem der gesetzliche Mindestlohn vorenthalten wird.

Die Analyse beruht auf einer Auswertung des sozioökonomischen Panels von 2016. Dabei wurden in Deutschland knapp 30 000 Menschen in 15 000 Haushalten zu ihren Arbeits- und Lebensbedingungen befragt.

Quelle: Süddeutsche.de vom 23.03.2018


Urteil: Kein Mindestlohn bei Kabotagefahrten

Mit einer Entscheidung des Amtsgerichts Weißenburg liegt das erste rechtskräftige Urteil eines Zivilgerichts vor, in dem das deutsche Mindestlohngesetz (MiLoG) für Kabotagetransporte für europarechtswidrig angesehen wird, soweit es Transportunternehmer aus anderen EU-Staaten betrifft.

Für den Schutzzweck des Gesetzes (...) sei die Erstreckung des Anwendungsbereiches des MiLoG auf kurzfristige Tätigkeiten, bei denen der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat behalte, jedoch nicht geboten, so die weitere Begründung des Gerichts.

Quelle: Verkehrsrundschau.de vom 22.03.2018


Zahl der Verstöße gegen den Mindestlohn deutlich gestiegen

Der Berliner Zoll hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Ermittlungsverfahren wegen nicht gezahlter Mindestlöhne eingeleitet als noch 2016. Wie das Bundesfinanzministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, wurden 297 Verfahren eröffnet, im Vorjahr lag die Zahl bei 186.

Auch die Anzahl der überprüften Betriebe stieg den Angaben zufolge an. Gab es im Jahr 2016 noch 1233 Arbeitgeberüberprüfungen, waren es 2017 bereits 1485. Experten zufolge erfasst der Zoll allerdings nur einen Bruchteil der tatsächlichen Verstöße beim Mindestlohn.

Quelle: Berliner Zeitung online vom 21.03.2018




2] WEITERE BERICHTE

In der Pflege werden immer mehr Leiharbeitskräfte eingesetzt

Um Personallücken zu schließen, werden immer mehr Leiharbeitskräfte in der Pflege eingesetzt. Häufig verdienen Leiharbeiter deutlich weniger als ihre festangestellten Kollegen.

Im vergangenen Jahr waren bundesweit 10.181 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in der Gesundheits- und Krankenpflege, bei Rettungsdiensten und der Geburtshilfe tätig (...). Im Bereich der Altenpflege wurden im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge mehr als 7500 Leiharbeitskräfte eingesetzt.

Quelle: Stern.de vom 01.04.2018


Trotz Lohnanhebung erhalten viele Leiharbeiter nur Niedriglöhne

Wie in den Entgeltvereinbarungen für die Arbeitnehmerüberlassung vorgesehen, steigen heute die Löhne in allen Entgeltgruppen um 2,8 bzw. vier Prozent. Ein Großteil der Leiharbeitsbeschäftigten bleibt trotzdem im Niedriglohnsektor stecken. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können, wenn die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach »Equal Pay« ernst gemacht hätten.

Die Hälfte aller als Helfer zu den Entleihbetrieben entsandten Vollzeit-Leihkräfte müsste demnach für einen Niedriglohn von weniger als 10,18 Euro/Std. arbeiten. Bedenkt man nun, dass 55 Prozent aller LeiharbeiterInnen (...) nur auf dem Anforderungsniveau von Helfertätigkeiten eingesetzt wird, so wird die Dimension der Niedriglohnbeschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung deutlich.

Quelle: miese-Jobs.de vom 01.04.2018


Wenn der Lohn nicht mehr zum Leben reicht

Teilzeit, Minijob, befristeter Arbeitsvertrag und Flexibilität - das ist die Realität in der heutigen Jobwelt. Die Folge: Die Zahl derer, die mit einem Job nicht mehr über die Runden kommen, steigt - sogenannte Multijobber.

Immer mehr Menschen in Bayern haben wie Kerstin Perry mehrere Jobs, weil einer nicht reicht. Die Zahl der Multijobber stieg nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in den letzten zehn Jahren beständig an: von 427.000 (2007) auf mehr als 670.000 (2017). Das hat mehrere Gründe.

Quelle: BR.de vom 29.03.2018


Wenn der Lohn einfach nicht reicht

Rund ein Viertel der im Sprachgebrauch der Arbeitsagentur genannten Erwerbsfähigen Leistungsbezieher (ELB) sind erwerbstätige ELB. Heißt: Sie haben einen Job und haben dennoch Anspruch auf Hartz IV-Leistungen. Warum? Weil das Einkommen so niedrig ist.

1,16 Millionen waren es laut Arbeitsagentur (Stand Februar 2018) im Juli 2017 – also gut ein Viertel aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (4,4 Millionen). Von diesen 1,16 Millionen wiederum waren 1,07 Millionen abhängig beschäftigt.

Quelle: ZDF.de vom 29.03.2018


Wirtschaftsforscher fordern Entlastung von Geringverdienern

Wie lassen sich Einkommen entlasten, auf die ohnehin kaum Steuern anfallen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schlägt vor, Sozialabgaben zu reduzieren.

Bei Geringverdienern soll die Steuerlast um die Höhe des Sozialbeitrags reduziert werden. »Statt die Sozialbeträge direkt zu verringern, kann man sie auf die Einkommenssteuer anrechnen«, heißt es in einem Arbeitspapier des DIW.

Quelle: Zeit online vom 27.03.2018


Flexible Dienstleister der Wissenschaft

Mehr als achtzig Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter sind befristet beschäftigt – gegenüber sieben Prozent in der freien Wirtschaft. Warum will die neue Regierung daran nichts ändern?

Die Lobby der Wissenschaftsorganisationen, die Änderungen im Befristungsrecht zugunsten ihres eigenen wissenschaftlichen Personal geschlossen abwehrt, scheint die Abgeordneten aller Parteien gut im Griff zu haben – ungeachtet der politischen Machtverhältnisse.

Quelle: FAZ.net vom 27.03.2018


Auf Kosten der Krankenkasse

Für Selbstständige mit geringem Einkommen wird die Krankenkasse günstiger. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler subventioniert damit eine Selbstständigkeit, die nicht zum Leben reicht.

Eine Absenkung des unrealistisch hohen Beitragssatzes war auch die Forderung der gesetzlichen Krankenkassen. Da die Solo-Selbstständigen die hohen Beiträge häufig gar nicht zahlen können, laufen schließlich immense Schulden bei den Kassen auf.

Quelle: FR online vom 27.03.2018


Immer mehr Pfleger flüchten in Leiharbeit

Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit stieg die Zahl der Leiharbeiter in der Branche von 2013 bis 2017 um knapp 27 Prozent. Arbeiteten im Juni 2013 bundesweit rund 22.600 Krankenpfleger, Altenpfleger, Helfer und Spezialisten als Zeitarbeitnehmer, waren es 2017 bereits rund 28.800.

Viele Zeitarbeitsfirmen werben in ihren Anzeigen mit höheren Löhnen. Wie hoch sie tatsächlich ausfallen, will von den Zeitarbeitsfirmen keiner sagen.

Quelle: MDR.de vom 25.03.2018


Um Schulden zu begleichen müssen sich Teilzeitkräfte eine Vollzeit-Stelle suchen

Überschuldete Teilzeitbeschäftigte müssen sich grundsätzlich nach einem Vollzeit-Arbeitsplatz umsehen, um ihre Schulden besser begleichen zu können. Kommen sie dem nicht nach, kann ihnen während des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung verweigert werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH).

Nicht nur erfolglos Selbstständige und arbeitslose Schuldner müssten sich um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen, sondern auch teilzeitbeschäftigte Schuldner, betonten die Karlsruher Richter.

Quelle: Juraforum.de vom 22.03.2018


Bundesagentur vermittelt ein Drittel der Arbeitslosen in Leiharbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) vermittelt trotz der guten Konjunktur überproportional viele Arbeitslose in die Leiharbeit. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor.

Demnach nahmen 85.000 oder ein Drittel der insgesamt 260.000 Personen, die 2017 von der BA in eine neue Stelle vermittelt wurden, eine Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche auf. 317.000 Personen, die unmittelbar zuvor in der Leiharbeit beschäftigt waren, waren anschließend sofort wieder arbeitslos.

Quelle: Finanznachrichten.de vom 21.03.2018


Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.

URL: https://www.blickpunkt-wiso.de/post/miese-jobsde-nachrichtenueberblick-062018--2195.html   |   Gedruckt am: 20.04.2024